Heute Nachmittag präsentierte Interims-Kreativchef Bill Gaytten zur Pariser Modewoche seine dritte eigenständige Kollektion für Dior. Ganz leicht dürften ihm die letzten Arbeiten an dieser Modelinie nicht gefallen sein – außerhalb seines Ateliers diskutiert die Branche immer intensiver die Frage, wer ihn als Dior-Chefdesigner demnächst ersetzen wird.
Leicht – und sehr präzise – präsentierten sich dafür Bill Gayttens Kreationen. Wie schon zur Pariser Haute-Couture-Woche im Januar 2012 zeigte er eine Modelinie, die sich sehr deutlich zu den historischen Wurzeln des Hauses Dior bekannte und Christian Diors New Look aus den 1950er Jahren in einer eigenen, modernen Interpretation revitalisierte. Die Kollektion bestach durch klare Schnitte, Sensibilität und handwerkliche Meisterschaft in Haute-Couture-Qualität. Gleichzeitig war sie ein Zeugnis dafür, in welchem Maße sich Bill Gaytten von seinem Vorgänger John Galliano emanzipiert und ein eigenständiges designerisches Profil gewonnen hat.
Klassische Dior-Silhouetten und Ballett-Inspiration
Inspirieren ließ sich Bill Gaytten für seine Herbst-Winter-Kollektion 2012 von der modischen Ikonografie des Balletts. Seine Models – darunter Joan Smalls, Kati Nescher und Karlie Kloss – defilierten auf dem Dior-Runway im Pariser Musée Rodin in filigranen Roben aus Seide, Chiffon, Satin und Tüll. Ebenso dezent und feminin wie die Silhouetten selbst – schwingende oder plissierte Röcke mit schmalen Taillen, Tutu-ähnliche Entwürfe, kurze Schößchen-Blazer oder leichte Sweater – war Bill Gayttens Farbwahl: Altrosa, zartes Lila, helles grau trafen auf edles Schwarz sowohl bei Tages-Ensembles als auch bei den recht zahlreich vertretenen Abendroben.
Insgesamt stand Bill Gayttens neue Kollektion für ein sehr klassisches Verständnis einer Prêt-a-Porter-Kollektion für Dior und realisierte dieses Konzept auf brillante Weise.
Wohin will Dior?
Die Ära Gaytten wird sich mindestens im Nachhinein für das Haus Dior vermutlich als Erfolgsgeschichte erweisen. Seiner ersten, zur Pariser Modewoche im Herbst 2011 vorgestellten Dior-Kollektion warfen die Kritiker noch das Fehlen einer eigenen Handschrift vor – sie erwies sich übrigens später als ausgesprochener Verkaufserfolg. Zur Haute-Couture-Woche im Januar 2012 fragten sich die Medien bereits, warum Dior überhaupt noch extern nach einem dauerhaften Galliano-Nachfolger suche.
Entscheidend sind dabei allerdings nicht die Journalisten-Stimmen und möglicherweise auch nicht allein der Markt, sondern das strategische Konzept des Hauses Dior. Bill Gayttens Arbeiten stehen nicht zuletzt für eine Rückkehr zu klassischen Dior-Silhouetten, Raf Simons und Stefano Pilati – als die beiden derzeit wahrscheinlichsten Dior-Kandidaten – für Konzepte, die das Label in eine neue ästhetische Richtung führen würden.
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