Der zweite Höhepunkt des Eröffnungstages der Haute-Couture-Schauen in Paris war die Frühjahrs-Sommer-Kollektion von Dior. Bill Gaytten präsentierte eine 40-teilige Couture-Linie, die sich deutlich am New Look Christian Diors aus den 1950er Jahren orientierte und dessen sehr feminine, klassische, aber auch konservative Silhouetten an heutige Couture-Styles adaptierte.
Spannend war nicht nur die Kollektion, sondern nicht zuletzt das Medien-Echo auf Bill Gayttens Arbeit. Aus den USA hieß es bisher unisono: Sehr ästhetisch und absolut verkäuflich, jedoch wenig kreativ oder gar avantgardistisch. In ersten europäischen Statements, etwa aus Großbritannien, fragten sich die Mode-Kritiker dagegen, ob Dior nicht gut beraten sei, die externe Suche nach dem Nachfolger John Gallianos endlich aufzugeben und stattdessen seinem Interims-Designchef Bill Gaytten die Position endgültig anzubieten.
Zuletzt war – nach dem Scheitern der Verhandlungen mit Marc Jacobs – der Belgier Raf Simons, derzeit für Jil Sander tätig, als möglicher Dior- und LVMH-Favorit im Gespräch.
New Look mit individuellen Zwischenspielen
Bill Gaytten zeigte eine Serie opulenter Organza-Roben für den ganz großen Abendauftritt – mit weiten bodenlangen Röcken, einem raffinierten Spiel mit Transparenzen, teils sehr schlichten Oberteilen, aber auch überdimensionalen Schleifen oder reich bestickten Korsagen-Tops. Farblich dominierte Schwarz mit sehr leicht eingearbeiteten Weiss-Kontrasten. Ergänzt wurde diese Linie durch einige stilistisch identische, jedoch weniger repräsentative Cocktail-Kleider.
In seinen Entwürfen für weniger offizielle Anlässe erlaubte sich Bill Gaytten größere ästhetische Variationen – hier stehen klassische New-Look-Kleider neben dem „Kleinen Schwarzen„, aber auch sehr modernen und individuellen Kreationen. Auch Farben – etwa Rot und Lila – kamen hier bei einigen Entwürfen ins Spiel. Neben den Abend- und Cocktailkleidern gab es einige eher unprätentiöse Alltags-Outfits: Kleider oder Rock-Hosen-Ensembles im 1950er Jahre-Stil sowie – in der Gesamtschau dieser Haute-Couture-Linie schon fast ironisch – ein Minikleid mit 1970er-Jahre-Flair.
Bill Gaytten findet eigene designerische Handschrift
Bill Gaytten selbst hat in seiner dritten eigenen Kollektion für Dior offenbar seinen eigenen Design-Stil gefunden und setzt darin auf klassische Vorlagen ebenso wie auf Tragbarkeit und die Präsenz der potentiellen Trägerinnen. Seine im September 2011 vorgestellte erste Modelinie „nach Galliano“ war demgegenüber zwar deutlich Dior, aber noch ohne ausgeprägte eigene Handschrift. Inzwischen ist diese – trotz der New-Look-Hommage – klar erkennbar.
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