Während der Pariser Modewoche präsentierten auch während des „langen Wochenendes“ zahlreiche große Labels und Designer. Die Handschriften der Kreativen sowie die Fashion-Philosophie der Marken waren naturgemäß sehr individuell – jedes Defilee war schon deshalb einzigartig und oft eine ästhetisch-designerische Überraschung. Unsere – sicher subjektive – Pariser Auswahl steht daher für viele andere aktuelle Runway Shows in der Seine-Stadt.
Dior ließ zwar auch während des Events nichts zur Galliano-Nachfolge verlauten, dafür präsentierte Bill Gaytten als Interims-Chef-Designer eine sehr souveräne Kollektion. Der Kolumbianer Haider Ackermann stellte ethnisch inspirierte und ästhetisch vollendete Kreationen vor, die ihn einmal mehr als einen der visionären Designer unserer Zeit bestätigten. Yoshi Yamamoto – inzwischen ein Altmeister der Couture – verband Zen-Ästhetik mit Avantgarde und einem sehr individuellen Frauenbild.
Dior: Souveräne New Look-Interpretation von Bill Gaytten
Die Dior-Schau – wie immer im geschichtsträchtigen Musée Rodin präsentiert – wurde nicht nur wegen der Kollektion, sondern auch wegen der erhofften Neuigkeiten zur Nachfolge von John Galliano vom Pariser Publikum recht gespannt erwartet. Die Personalie zuerst: Es gab auch während und nach der Schau kein Update. Sydney Toledano stellte zwar für die kommenden Wochen eine Verlautbarung des Modehauses in Aussicht, bis dahin gelte allerdings, dass die diversen Spekulationen von Personen stammten, die inhaltlich nichts darüber wissen. Selbst aus der Frage, wer diesmal die designerische Verantwortung für die Dior-Kollektion übernommen hatte, machte das Label bis zum Ende der Schau ein Geheimnis – nach dem Finale erschien dann, wie schon bei den Couture-Schauen im Sommer, Bill Gaytten auf dem Runway. Der langjährige Galliano-Mitarbeiter führt seit Juni die Dior-Marke „John Galliano“ sowie als Interims-Kreativchef das Designer-Team von Dior.
Gayttens aktueller Kollektion war deutlich anzumerken, dass er sich inzwischen vom designerischen Einfluss seines früheren Chefs weitgehend emanzipiert hat: Weniger Dramatik, weniger „große Inszenierung“ – stattdessen eine kreative, feminine und sehr tragbare Neuinterpretation des „New Look“, Diors Fashion-„Revolution“ der Nachkriegsjahre. Dabei lebten die Gaytten-Entwürfe keinesfalls vom historischen Zitat, sondern waren ästhetisch-stilistisch eigenständig und absolut modern. Zu sehen gab es filigrane Organza-Kleider, schmale Hosen mit taillierten Blazern, Etuikleider und Kostüme mit Retro-Impressionen sowie eine ganze Serie von Abendroben in Schwarz, Weiss und Creme.
Haider Ackermann: Formvollendete und tragbare Ästhetik
Haider Ackermann präsentierte eine der vielleicht schönsten Kollektionen für den Modesommer 2012 – nicht nur im Pariser Kontext, sondern auch in der Abfolge der anderen Fashion Weeks von Ethno-Elemente waren sichtbar, jedoch nicht das prägende Element der Kollektion.
Yoshi Yamamoto: Avantgarde und Zen-Ästhetik
Yoshi Yamamoto präsentierte eine „ganz andere“ – avantgardistisch konzipierte und zugleich zeitlose Kollektion. Seine Models defilierten in meist schwarz-weiss gehaltenen Roben – weiten Kleidern, Hosenanzügen, sehr legeren Rock-Blazer-Kombinationen mit zahlreichen Drapees und Overlays – mit flachen Schuhen, teils im Sneaker-Stil, teils als robuste Boots. Seine Verbindung von unterschwelliger Zen-Ästhetik und designerischer Avantgarde bezog sich gleichzeitig auf ein in der Fashion-Welt eher untypisches Frauenbild: natürlich, sehr persönlich und vollkommen trendunabhängig.
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