Die Milano Fashion Week neigt sich ihrem Ende zu. Das norditalienische Prêt-à-Porter-Festival hat einmal mehr bewiesen, dass Mailand unter den Mode-Metropolen eine besondere Rolle spielt: Die italienische und internationale Designer-Szene feiert hier nicht vordergründig Coolness, Avantgarde oder Kommerzialität, sondern Schönheit und Femininität.
Herausragend, originell, individuell waren alle in Mailand präsentierten Kollektionen. Donatella Versace und der Belgier Raf Simons – für Jil Sander – formulierten aus „historischen“ Elementen ihrer eigenen Arbeit und der „Tradition“ ihrer Labels zwei großartige aktuelle Design-Konzepte.
Donatella Versace – Nieten auf Seidenstoff
Vor der Show kündigte Donatella Versace ihre Kollektion als eine Begegnung des „alten und neuen Versace“ an. Eine Reminiszenz an ältere Arbeiten war das Medusenhaupt, das an der Runway-Rückwand an eine Grundthematik ihres Designs erinnerte – die Kollektion selbst war brandneu und kam ohne Zitate älterer Kreationen aus, ohne dabei aber Versaces Fashion-Präferenzen zu verleugnen. Typisch für die Kollektion waren Mini-Kleider, schmale Röcke oder Shorts mit Bandeau-Oberteilen und/oder Boleros, aber auch einige an antike Skulpturen erinnernde fließende Gewänder. Mit Nieten bestickt waren fast alle Kreationen.
Schön für alle Fans Donatella Versaces, die nicht auf Prêt-à-Porter-Niveau shoppen können oder wollen: Viele Stilelemente der Mailänder Entwürfe finden sich auch in ihrer Kollektion „Versace for H&M“ wieder, die ab November in den Handel kommt.
Raf Simons für Jil Sander – atemberaubend minimalistisch
Eine minimalistische, funktionale – und gerade deshalb großartige – Kollektion stellte Raf Simons für Jil Sander vor. Simons´ Kreationen repräsentierten sehr konsequent den Stil des Labels in einer deutlich Retro-inspirierten Form und gleichzeitig seine eigene designerische Handschrift. Typisch für Jil Sander sind seit jeher schmale Schnitte, Kleider im Hemdblusenstil und Schnörkellosigkeit – so auch in Mailand. Akzente setzte Simons durch transparente Einsätze, dezente Overlays, Farben und grafische Elemente – großflächige Paisley-Muster oder Pablo-Picasso-Motive als Strickintarsie. Einige Modelle boten direkte historische Zitate – etwa ein Cocktailkleid in explizitem 1950er Jahre-Stil oder ein schwarzes Kostüm á la Jacky Kennedy. Interessanter Stilmix: Rein weiße Abendroben mit Jil Sander-typischem Hemdblusen-Oberteil und weiten langen Röcken.
Als ein erstes Fazit der Mailänder Modewoche insgesamt: Das Frauenbild, das hier zum Tragen kam, war raffiniert und elegant – es entwarf nicht zuletzt ein Gegenbild zu gegenläufigen „Verzerrungen“ der Berlusconi-Jahre. Viele Designer bedienten sich dabei an Stilmitteln vergangener modischer Epochen. Retro war ein übergreifendes Element vieler Kollektionen – von den 1920er Jahren über „New Look“ und die „Sixties“ bis zu Hippie-Bildwelten der 1970er. Stilbrüche – weniger mit Avantgarde-Ansätzen als in sorgfältig herausgearbeiteten Details – sorgten gleichzeitig dafür, dass die in Mailand vorgestellte Mode nicht „historisierend“, sondern absolut modern ist.
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