Die Haute-Couture-Wochen in Paris bieten zweimal jährlich eine Serie von Schauen der „ganz großen“ Labels und damit eine Abfolge von Höhepunkten. Am spannendsten erwartet wurde diesmal vermutlich die erste Kollektion des Belgiers Raf Simons für Dior, der damit gestern eindrucksvoll bewies, dass er „Dior kann“ ohne seinen eigenen Design-Stil dafür aufzugeben.
Chanel – normalerweise ebenso wie Dior einer der Hypes der Pariser Modewoche – geriet dabei zumindest medial etwas ins Hintertreffen. Chanel-Urgestein Karl Lagerfeld nahm es jedoch gelassen – heute präsentierte er im Grand Palais seine „New Vintage“ Kollektion in Café-Kulisse und sehr entspannter Atmosphäre. Bereits gestern Abend zeigte Giambattista Valli eine sehr artifizielle und glamouröse Kollektion.
Karl Lagerfelds neue Hommage an Coco Chanel
Karl Lagerfelds „New Vintage“-Linie war eine weitere Hommage an Coco Chanel und bot eine Vielzahl modischer Zitate aus den verschiedenen Chanel-Epochen. Historisierend wirkte sie jedoch an keiner Stelle – Lagerfeld bewies mit seinen Kreationen einmal mehr eine junge, frische Sicht auf die designerische DNA des Hauses.
Das klassische Chanel-Kostüm in Tweed mit kurzem Rock und geraden oder leicht figurbetonten Jacken präsentierte er gleich in einer ganzen Reihe von Versionen, die ikonische Kontur fand sich daneben auch an Mänteln sowie Blazer-Ensembles mit losen Taillen-Hosen. Einige Passagen mit modischen Reminiszenzen an die 1960er Jahre kombinierten Tweed mit kurzen A-Silhouetten. Sehr spannend und ästhetisch war eine Serie von Tages- und Cocktailkleidern im Stil der späten 1930er Jahre. Karl Lagerfelds schmale und sehr „weiche“ Abendroben bestachen dagegen durch zeitlose – und sehr schlichte – Eleganz. Herausragend war hier unter anderem ein Kleid in Rosé mit Cut-outs und Silber-Applikationen. Zum Abschluss erschien das US-amerikanische Model Lindsey Wixson in einem opulenten Hochzeits-Look mit Federschmuck.
Als Grundfarben der Kollektion kombinierte Karl Lagerfeld Rosé mit Schwarz, Grau-Variationen und Metallic-Stoffen. Lurex-Strümpfe, Perlen, Blüten und Bordüren sorgten für Akzente, ohne ins Verspielte abzugleiten.
Giambattista Valli – Haute-Couture-Inszenierung einer Märchenwelt
Giambattista Valli hat mit der Bestätigung als Grand Couturier durch die Pariser Chambre Syndicale wohl zu seiner eigentlichen Berufung gefunden, nachdem er der Couture-Welt auch in seinen früheren Kreationen nahestand. Auch in seiner dritten „offiziellen“ Haute-Couture-Kollektion präsentierte er am Montagabend die artifizielle Dimension der „hohen Schneiderkunst“ mit absoluter Perfektion.
Seine „Passagen“ entführten das Publikum in eine Märchenwelt – seine Models erinnerten an fragile Nymphen, seine Roben an Fantasy-Welten oder den Glamour vergangener Epochen. Markenzeichen aller Looks war eine offensive Opulenz mit kunstvollen Drapierungen und Layers, Federn und überdimensionierten Rüschen, hinter der die Trägerinnen der Kleider fast verschwanden – letzteres war angesichts von transparenten Spitzenschleiern mit Schmetterlingen über manchen Mündern vielleicht ein sehr beabsichtigter Effekt.
Farblich war die Kollektion ganz in Schattierungen von Rot und Grün gehalten. Gleichzeitig transferierte sie die saisonale Omnipräsenz von Prints in allen Mode-Sparten auch in die Haute Couture – und erzeugte damit zum Teil Retro-Impressionen, die mit Giambattista Vallis insgesamt sehr künstlerischen Inszenierung etwas kontrastierten.
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