Azzedine Alaia, der begnadete Couturier mit den tunesischen Wurzeln, hat sich seit langem aus der offiziellen und medial begleiteten Modeszene weitgehend zurückgezogen. Zur Pariser Couture-Woche im Juli präsentierte der inzwischen 71-jährige zum ersten Mal seit acht Jahren eine „öffentliche“ Kollektion. Zeitgleich wurde er als ausländisches korrespondierendes Mitglied in die Chambre Syndicale aufgenommen und erhielt damit den offiziellen Ritterschlag als Couturier, nachdem er bereits seit den frühen 1980er Jahren zu den wichtigsten und begehrtesten Designern der Welt gehört.
Alaia ist einer der ganz wenigen Modeschöpfer, die unabhängig für eine private Klientel arbeiten und nicht dem Leistungs- und Kreativitätsdruck der großen Modehäuser unterworfen sind. Im Interview mit style.com sprach der sonst recht medienscheue Couture-Star über die Zukunft der Modebranche, die Situation ihrer kreativen Köpfe sowie die Bedeutung einer exzellenten Fashion-Presse.
Zu viele Kollektionen – zu wenig Raum für Kreativität
Die Arbeitsbedingungen heutiger Designer sah der seit jeher unabhängig arbeitende Modeschöpfer eher skeptisch – mit Auswirkungen auf ihre Kreativität. Der Arbeitsrhythmus der Kreativen werde nicht mehr durch ihren schöpferischen Prozess, sondern durch die Anforderungen ihrer Labels vorgegeben – es sei schlicht unmöglich, alle zwei Monate eine neue Idee für eine Kollektion zu haben, er selbst sei dankbar für eine kreative Idee pro Jahr. Azzedine Alaia entwirft normalerweise jährlich eine Kollektion und ist damit nicht an die Präsentations-Planung eines Labels gebunden – im Interview betonte er, dass Unabhängigkeit für seine Arbeit und sein Leben existenziell sei.
„Burn Out“ in der Modebranche
Das Leistungs- und Belohnungssystem der Branche zu ändern, ist aus Sicht von Azzedine Alaia inzwischen überfällig: Viele Designer sind krank, in schlechter Form oder gezwungen, ihre Kreativität durch Drogen zu unterstützen. Zwangsläufig fiel in diesem Zusammenhang auch der Name John Galliano – Alaia nannte weitere Star-Designer: auch Alexander McQueen oder der frühere Balmain-Chefdesigner Christophe Decarnin zählten zu den Opfern des internationalen Modekarussels. Daneben hätten auch Einkäufer oder Journalisten in der Abfolge der Fashion Weeks kaum noch die Möglichkeit zu einer Ruhepause.
Fashion- Magazine müssen besser sein als das Internet
Fashion ist für Azzedine Alaia eine „ewige Größe“ und bewegt sich gleichzeitig absolut im „Hier und jetzt“ – gleiches gilt für die mediale Reflexion über Mode, Designer, Models und Kollektionen. Die gedruckten Fashion-und Lifestyle-Medien hält er für sehr wichtig für das Funktionieren der Branche, merkte aber an, dass sich die Magazine nur durch exzellente Themen, Journalisten und Fotografen – die es in dieser Form im Internet nicht gibt – behaupten werden.
Kommentiere als erstes!