John Galliano, der exzentrische und extrem kreative ehemalige Chef-Designer des Hauses Dior, muss sich ab heute wegen rassistischer Hetze vor einem Pariser Gericht verantworten. Nachdem ihn sein Arbeitgeber bereits im Februar deswegen gefeuert hatte, drohen ihm jetzt auch sechs Monate Haft und eine empfindliche Geldstrafe.
Die Beweise für Gallianos Entgleisung sind durch Zeugenaussagen und ein Handy-Video relativ eindeutig, Gallianos Anwalt wird im Verfahren wohl auf Unzurechnungsfähigkeit, unter anderem wegen Drogeneinflusses, plädieren, um seinem Klienten einen Gefängnisaufenthalt zu ersparen. Der Stardesigner selbst hat sich inzwischen in New York einer Entziehungskur unterzogen und wird sich den Richtern geläutert und reuevoll präsentieren.
Stets in der Außenseiterrolle
Der Eklat um John Galliano trägt in mehrfacher Hinsicht tragische Züge. Persönlich hat sich der in Gibraltar geborene Sohn eines britischen Klempners und einer spanischen Mutter trotz seines brillanten Aufstiegs zeitlebens als Underdog und verachteter Außenseiter gesehen – man darf annehmen, dass diese Erfahrung nicht nur seine Kreativität und die Intensität seines Designs prägt, sondern auch den Hintergrund eines exzessiven Lebensstils bildet, der im Februar aus unbekannten Gründen eskaliert ist.
Couture-Branche nutzt die „Affäre Galliano“ zur Neupositionierung
Interessant sind die öffentlichen Reaktionen. Mode – zumal die Haute Couture – ist in Frankreich explizit kulturell, die französischen Medien lassen keine Facette des Falls unkommentiert. Gleichzeitig mehren sich öffentliche Stimmen, dass die Ära der großen Egozentriker als Gesichter und Markenzeichen der Couture-Häuser mit der Affäre Galliano endgültig vorbei ist – der Branchentrend geht zu geschäftlicher Normalität und zwar inspirierten, aber auch vergleichsweise unkomplizierten und dadurch leichter verkaufbaren Designern, die den Marketingabteilungen der Unternehmen Spielräume lassen.
Bezeichnend für diesen Trend – gewissermaßen den Beginn der Nach-Galliano-Ära – ist, dass seit Februar sechs weitere Spitzencoutouriers ihren Platz räumen mussten. Ebenso auffallend ist, dass sich bisher nur ein direkter Branchenkollege – mit Jean-Paul-Gaultier selbst eines der Flaggschiffe der exzentrischen Hoch-Kreativen – eindeutig pro Galliano zu Wort gemeldet hat. John Galliano selbst arbeitet bereits an seinem Come-Back, zunächst mit einem Parfüm namens „Parlez-moi d´amour“. Für seine Nachfolge als Dior-Kreativ-Chef sind unterdessen der Italiener Riccardo Tisci (bisher Givenchy) und der Kolumbianer Haider Ackermann als die heißesten Tipps im Gespräch – zwei bekennende Katholiken, wenn auch mit branchenüblichen persönlichen Extravaganzen.
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