Gestern begann in Paris die Haute-Couture-Woche mit den Schauen für die Herbst-Winter-Saison 2012 – eröffnet wurde sie wie schon im Januar 2012 von Donatella Versace mit einer Kollektion für ihr Haute-Couture-Label „Versace Atelier“.
Mit Spannung warteten Medien, Celebrities und Branchen-Publikum heute Nachmittag auf das Dior-Defilee: Der Belgier Raf Simons gab damit sein öffentliches Debüt als Dior-Kreativdirektor – das Pariser Modehaus nahm das Event zum Anlass für eine weitere Premiere und ließ die exklusive Schau erstmalig weltweit per Video-Livestream übertragen.
Donatella Versace – Dekonstruktion, Konstruktion, Tarot
Donatella Versace betrat mit ihrer Inszenierung „historischen“ – und familiären Boden: Bruder Gianni hatte seinerzeit sein Haute-Couture-Publikum zweimal jährlich ins Pariser Hotel „Ritz“ geladen. Die Designerin präsentierte jetzt ihre zweite Haute-Couture-Kollektion nach siebenjähriger Auszeit von den Inszenierungen der „hohen Schneiderkunst“ an gleicher Stelle – in Bezug auf die Location übrigens in fast letzter Minute. Das berühmte Art-Nouveau-Hotel ist bereits offiziell geschlossen und wird in den nächsten Jahren von Grund auf renoviert.
Für ihre Kreationen ließ sich Donatella Versace von Tarot-Karten sowie der Idee von Dekonstruktion – und dem teils überraschenden konstruierenden Zusammenfügen von Einzelteilen inspirieren. Das US-amerikanische Star-Model Lindsey Wixson eröffnete in einem Trench aus dünnen weißen Lederstreifen, mit A-Silhouette und breitem Gürtel. Darauf folgten – als ein Versace-Markenzeichen – körperbetonte Corsagen-Minikleider und Roben aus schimmernden Materialien, teils mit „Futuristic Prints„, oft mit offenen, leichten Röcken. Das Tarot-Element kam in vielen Druckmotiven und bei Accessoires – beispielsweise dem Gürtel für den Auftakt-Look – zum Tragen.
Spannend war Donatella Versaces Statement gegenüber dem britischen „Fashion Telegraph, dass ihre High-Street-Kollektion für H&M sie letztlich zur offiziellen Rückkehr in die Haute Couture bewogen habe. Als die erste „Versace for H&M“-Kollektion innerhalb weniger Stunden ihre Käuferinnen fand, habe sie realisiert, über welche Kraft der Name Versace immer noch verfüge. Im Übrigen sei Versace Atelier auch in den „stillen Jahren“ niemals endgültig vom Markt verschwunden – für seine privaten Kunden habe das Haus auch in dieser Zeit individuelle Haute Couture entworfen.
Dior – Symbiose von Dior-Looks und Raf Simons´ dezenter Avantgarde
Raf Simons zeigte mit seiner ersten Kollektion für Dior eine gelungene und sehr ästhetische Verbindung der designerischen DNA des Hauses mit seinem eigenen, eher puristisch definierten Stil. Christian Diors „New Look“ war – teils explizit, teils atmosphärisch – in den meisten Passagen zu erkennen. Aber: Seine Entwürfe standen weder für die distanzierte Damenhaftigkeit der originalen Kreationen Christian Diors noch für die Dramatik eines John Galliano, sondern für heute archetypische Dior-Silhouetten ebenso wie für Simons´ dezenten Avantgarde-Touch und sein Understatement.
Viele seiner Entwürfe wirkten sehr puristisch – Zigarettenhosen zu langen, vorn geöffneten Kleidern, schmale Abendroben mit schwingenden Röcken, langen Ärmeln und ohne weitere Verzierung. Raum für Zitate gab es an vielen Stellen – im Hinblick auf historische Dior-Motive ebenso wie seine „Jil Sander“-Jahre.
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