Die italienische Mode-Szene stand in der letzten Woche ganz unter dem Zeichen der Milano Fashion Week, die sich – wie nicht anders zu erwarten – in designerischer ebenso wie in kommerzieller Hinsicht als Erfolg erwies. Insgesamt präsentierten in Mailand über 130 Labels und Designer ihre Kollektionen für die Frühjahrs-Sommer-Saison des nächsten Jahres, 71 davon im Rahmen einer Runway-Show. Außerdem setzte sich in Mailand auch im Kleinen fort, was als ein globaler Streit der internationalen Mode-Metropolen New York, London und Mailand um die Terminierung ihrer Fashion-Weeks begonnen hatte: Glamour-Designer Roberto Cavalli fand harsche Worte gegen die Camera Nazionale della Moda Italiana (CNMI), die Fashion Week als Ganzes sowie den „kleinen König“ Giorgio Armani und das „egoistische Duo“ Dolce & Gabbana – der Grund war eine Terminänderung der Armani-Show, die Cavalli in zeitliche Bedrängnis brachte. CNMI-Präsident Mario Boselli lobte zum Abschluss der Milano Fashion Week trotzdem die „Harmonie“ des hochkarätigen Events und freute sich, dass die Branchen-Profis – Einkäufer und Medien-Leute – trotz des Termindrucks zwischen London, Mailand und Paris seiner Modewoche nicht die Gunst entzogen.
Designerisch präsentierten sich die Kollektionen der Milano Fashion Week – wie schon die italienischen Herren-Linien im vergangenen Sommer – mit einer neuen Leichtigkeit, in der sich Retro-Styles und Vintage-Mode mit einer expliziten Weiblichkeit verbanden. Die modische Vision aus Mailand changierte zwischen sehr edlen Looks – beispielsweise bei Frida Giannini für Gucci, Alberta Ferretti oder Giorgio Armani – und Boho-Impressionen mit hohem Glamour-Faktor bei Donatella Versace oder in der neuen Kollektion von Karl Lagerfeld für Fendi. Das Highlight der Milano Fashion Week war zweifelsohne die Runway-Show Jil Sanders, die nach ihrem Comeback in der High-Fashion-Szene und bei ihrem alten Label ihre erste Damen-Linie zeigte.
Konstruktivistisch-heitere Mode von Jil Sander
In ihren „Show-Notizen“ ließ Jil Sander wissen, dass sie ihre Rückkehr diesmal als „Neustart bei null“ betrachte – das reine Weiß ihrer Show-Location an der Via Luca Beltrami erinnerte dann auch symbolisch an ein noch unbeschriebenes Blatt Papier. Die Jil-Sander-Kollektion bestach durch Präzision und klare Schnitte – angekündigt hatte die Designerin zuvor „frische Silhouetten und neue Proportionen“ im „Geist des Konstruktivismus“. Ihre Models defilierten auf dem Runway in einem Jil-Sander-Klassiker – perfekten weißen Shirts – zu voluminösen Röcken, schmalen Hosen und legeren, überlangen Blazern. Farblich setzte Sander auf eine unifarbene Kollektion ohne Prints und Musterungen, einige wenige Ausnahmen gab es mit ihren „plakativen Punkten“ in Rosé und Nude an den finalen Looks der Show zu sehen. Farblich war die Kollektion ansonsten – neben Weiß und Schwarz – vor allem in Nachtblau und Bordeaux gehalten, helles Orange setzte bei einigen Looks weitere Akzente. Insgesamt wirkten Jil Sanders Kreationen sehr fokussiert, heiter und gelassen.
„Aristokratischer Purismus“ von Gucci
Frida Giannini hatte für Gucci unter dem Thema „Aristrokratischer Purismus“ dagegen eine sehr farbintensive Kollektion entworfen, für die sie sich von der Avantgarde-Kunst des Italieners Lucio Fontana und Fotografien „weiblicher Ikonen“ von Richard Avedon und Gian Paolo Barbieri inspirieren ließ. Die düstere Romantik von Gianninis letzter Kollektion wurde in der aktuellen Linie durch feminin-glamouröse Looks ersetzt, bei denen schmale bodenlange Kleider mit kurzen, gebauschten Formen kontrastierten. Für die Farbakzente kamen unter anderem Koralle, Fuchsia, Saphir und Zitrusgelb sowie Exotic-Prints zum Einsatz. Bei ihren Abendroben setzte die Designerin dagegen auf monochrome Looks in reinem Schwarz und Weiß, die sich mit Schlitzen und raffinierten Cut-Outs direkt an den Frauenbildern Lucio Fontanas orientierten.
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