Der Belgier Raf Simons gilt seit vielen Jahren durch seine Kollektionen für „Jil Sander“ ebenso wie für sein eigenes Antwerpener Label innerhalb der Mode-Branche als einer der international einflussreichsten und wichtigsten Designer. Ein breiteres Publikum nahm den medienscheuen Fashion-Star und seine Arbeit jedoch erst in jüngster Zeit zur Kenntnis, nachdem Raf Simons – übrigens einer der „heißen“ Kandidaten für die Nachfolge John Gallianos bei Dior – sich Ende Februar 2012 mehr oder weniger überraschend von der Marke „Jil Sander“ trennte.
Der medienscheue Star-Designer wurde 1968 in Neerpelt/Limburg in Flandern geboren. Seine Motivation für die Design-Karriere beschrieb er einmal so, dass ihm mit 15 Jahren klar wurde, dass er der katholischen Enge Limburgs und einer vorgezeichneten Anwalts- oder Arztkarriere nur durch einen kreativen Beruf entkommen würde. Das Designer-Studium – allerdings nicht Mode- sondern Industriedesign – war dann das eher zufällige Ergebnis der Lektüre eines Berufsberatungsbuches. Die weitere Entwicklung liest sich fast wie eine moderne Legende – statt eines Industriepraktikums absolvierte Raf Simons ein Praktikum im Atelier des belgischen Mode-Avantgardisten Walter van Beirendonck, bewarb sich für ein Modedesign-Studium an der Antwerpener Akademie der Schönen Künste und erhielt von deren Präsidentin Linda Loppa die Antwort, dass er dort nicht studieren müsse. Stattdessen schickte Loppa den Bewerber zu ihrem Vater Renzo, einem versierten Schneidermeister, der Simons dann bei der Entwicklung seines eigenen Labels unterstützte.
Designerische Wurzeln in der Antwerpener Avantgarde
Antwerpen wurde zum Ausgangspunkt von Raf Simons´ Karriere in der Welt der Mode. Das „belgische Modell“ geschäftlicher Unabhängigkeit außerhalb der Konzern-Strukturen der Luxus-Labels beeinflusste ihn in seinem persönlichen Konzept ebenso wie die künstlerisch definierte Avantgarde-Ästhetik von Designern wie Ann Demeulemeester oder Dries van Noten, in deren „Liga“ Simons selbst bald spielte. 1995 gründete er dort sein Label „Raf Simons“, das – noch vor Hedi Slimane – den damaligen Kanon der Herrenmode durch schmale, minimalistische Silhouetten mit Punk- und Gothic-Elementen revolutionierte. 2005 komplettierte er sein Label durch die jüngere – und natürlich provokante – Zweitlinie „RAF by Raf Simons“. Mit eigenen Boutiquen ist Raf Simons lediglich in Japan – einem „traditionellen“ modischen Avantgarde-Land – auf dem Markt präsent.
Kreative Weiterentwicklung der „Jil Sander“-DNA
2005 verpflichtete die Prada -Gruppe – seit dem Jahr 2000 „Jil Sander“-Eigentümerin – den Belgier als Chefdesigner der ehemaligen deutschen Marke, die inzwischen nach Mailand umgezogen war. Anfang 2006 präsentierte er für die Mailänder seine erste Kollektion – auf diese Herren-Linie folgte bald auch Womenswear, mit der Raf Simons sich international als ein Avantgarde-Designer profilierte, dessen kühl-minimalistische Kreationen die „Jil-Sander“-DNA repräsentierten und gleichzeitig kommerzielle Anforderungen erfüllten. Auch die auf Prada folgenden Eigentümer von „Jil Sander“ – die Londoner Investment-Gruppe Change Capital Partners sowie seit 2008 das japanische Unternehmen Onward Holding – setzten in der kreativen Markenführung lange Zeit auf Simons und sein Antwerpener Design-Team.
Raf Simons hat entscheidend dazu beigetragen, die Marke „Jil Sander“ durch seine Looks und neue Produktlinien – Dessous, Swimwear, Uhren, Schmuck – zu revitalisieren. Über strategische Differenzen zwischen Kreativ-Chef und Unternehmensführung munkelte die Branche indessen schon seit längerer Zeit – ob diese oder die überraschende Rückkehr der Designerin Jil Sander zu ihrer Marke den Hintergrund des zuletzt zumindest vordergründig schnellen Abschieds von Raf Simons und „Jil Sander“ bilden, ist für Außenstehende zumindest bisher nicht durchschaubar.
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